Berufsanerkennung
In vielen Ländern ist das kultursensible Dolmetschen im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen ein anerkannter Beruf, z. B.:
- „Interkulturelle/r Übersetzer/in“ in der Schweiz
- „Kommunaldolmetscher/in“ in Österreich
- „Community interpreter“ in Großbritannien, USA, Kanada
In Deutschland soll es ebenfalls einen Beruf „Sprach- und Integrationsmittler/-in“ geben, der durch eine Fortbildungsverordnung anerkannt wird.
Die Tätigkeit der Sprach- und Integrationsmittler/-innen braucht einheitliche Standards, um die Qualität und Transparenz der Dienstleistung zu gewährleisten. Dafür setzen wir uns in der bundesweiten Arbeitsgruppe zur Berufsbildentwicklung (BAG) ein. Die Initiatoren haben sich zu diesem Zweck auf einen einheitlichen Lehrplan verständigt. Die BAG strebt eine staatliche Anerkennung des Berufes des/der Sprach- und Integrationsmittlers/-in an. Das Ziel ist der Erlass einer Fortbildungsverordnung nach § 53 Berufsbildungsgesetz (BBiG).
Die Etablierung des Fortbildungsberufes hat mittlerweile gute Fortschritte gemacht. Zum einen, weil die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass die Mittler/-innen wertvolle Arbeit leisten. Zum anderen belegen zahlreiche Studien den großen Bedarf in den Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens.
Nicht zuletzt muss sich ein neues Berufsprofil gegenüber schon bestehenden Berufen abgrenzen lassen. Im Umfeld der Sprach- und Integrationsmittler/-innen wären dies unter anderem die Berufe der Dolmetscher/-innen, Sozialberater/-innen, Sozialassistenten/-innen, Gesundheitsberater/-innen.
Auf dem Weg zur Berufsannerkennung – Bundesarbeitsgruppe Berufsbildentwicklung (BAG)
Um die staatliche Anerkennung des neuen Berufsbildes des/der Sprach- und Integrationsmittlers/-in zu erreichen, schlossen sich Institutionen, die bereits Erfahrung mit der Qualifizierung und dem Einsatz von Sprach- und Integrationsmittlern haben, zur Bundesarbeitsgruppe zur Berufsbildentwicklung (BAG) zusammen.
Mitglieder der BAG
- Gemeindedolmetschdienst Berlin, Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.
- Interkulturelles Büro der Wissenschaftsstadt Darmstadt
- Migrationsdienste, Diakonie Wuppertal
- Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
- Bikup, Internationale Gesellschaft für Bildung, Kultur und Partizipation gGmbH, Köln
Leitung: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Gruppe Soziales Europa
Abgrenzung zu anderen Berufen
Dolmetschende mit ihren Abschlüssen von Universitäten und Fachhochschulen erhalten eine allgemeine Ausbildung mit einem wissenschaftlichen Unterbau. Sie arbeiten schwerpunktmäßig in wirtschaftlichen, politischen und technischen Bereichen oder sind beeidigte Dolmetschende im Justizwesen. Sprach- und Integrationsmittler/-innen hingegen sind auf die Bereiche Soziales, Bildung und Gesundheit spezialisiert. Sie verfügen über das notwendige fachliche Grundlagenwissen und über die jeweilige Fachsprache in bestimmten Themenbereichen. Außerdem haben sie Kenntnisse über Kommunikationsdynamiken in ihren Einsatzsituationen.
Sprach- und Integrationsmittler/-innen dolmetschen professionell. Diese Tätigkeit verbindet sie mit den allgemeinen Dolmetschern. Allerdings beschränkt sich ihre Aufgabe nicht auf die Sprachmittlung und die korrekte Wiedergabe von Terminologien. Der wichtigste Unterschied liegt darin, dass sie im Rahmen ihres Integrationsmittlungsauftrags auch erklärend und vermittelnd tätig sind. Sie sollen bei kommunikativen oder inhaltlichen Missverständnissen intervenieren, die sich sowohl aus der Kultur eines jeweiligen Ursprungslandes wie auch der deutschen Kultur oder den deutschen Institutionen ergeben können, und das Gespräch gegebenenfalls entsprechend steuern. In diesem Zusammenhang agieren sie als Informationsmittlende, um Defizite im kulturellen Vorwissen der einzelnen Gesprächsbeteiligten zu beheben und die Kommunikation zwischen ihnen zu ermöglichen.
Sprach- und Integrationsmittler/-innen zeichnen sich durch eine starke muttersprachliche und ursprungskulturelle Kompetenz aus, wohingegen die Bikulturalität für den klassischen Dolmetscherberuf nicht unbedingt im Mittelpunkt steht. Sie sind in ihrer jeweiligen Migranten-Community verankert und ihre Bikulturalität basiert auf einem Migrationshintergrund. Die Qualifizierung zum SprInt befähigt sie, diese ‚natürliche’ Bikulturalität zu professionalisieren und die nötige Distanz zur Migranten-Community zu entwickeln, ohne die für ihre Tätigkeit grundlegende Empathiefähigkeit einzubüßen.
Die akademische Ausbildung von Sozialarbeiter/-innen/Sozialpädagog/-innen umfasst nicht zwingend Kenntnisse von Migrantensprachen und soziokulturelle Vermittlungskompetenzen. Sie üben auch keine bloße Vermittlungsfunktion zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und den Regeldiensten aus, sondern sind verantwortlich für die Entwicklung von Hilfekonzepten und deren Ausführung. Fachkräfte der Sozialen Arbeit können in ihrer Arbeit auf Dienstleistungen von SprInt zurückgreifen.
Diese Berufsbilder haben gemeinsam, dass sie assistierende Tätigkeiten im sozialen Bereich umfassen; insofern sind sie mit der Assistenzfunktion der Sprach- und Integrationsmittler/-innen vergleichbar. Ihre Tätigkeiten umfassen jeweils fest umrissene betreuende, begleitende oder helfende Aufgaben im erzieherischen, pflegerischen oder hauswirtschaftlichen Bereich, einschließlich körperlicher Tätigkeiten. Aber sie erfüllen keine Vermittlungsfunktion zwischen zugewanderten Menschen und den Regeldiensten. Diese Qualifizierungen beinhalten auch keine sprachlichen bzw. soziokulturellen Kenntnisse, die dafür erforderlich sind. Sie enthalten auch keine spezifische Ausrichtung auf die Zielgruppe von Menschen mit Migrationshintergrund.
Qualifizierungen zu „Stadtteilmüttern/-vätern“, „Integrationslotsen/-innen“, Gemeindedolmetschenden oder Sprach- und Kulturmittelden gibt es in vielen Städten und Regionen. Absolventen/-innen solcher Kurzqualifikationen sind notwendig, um den hohen Bedarf nach Unterstützung staatlicher Regelsysteme in Zeiten hoher Zuwanderung zu decken. Auch wenn diese Vielfalt Ausdruck einer wachsenden Sensibilisierung ist, ist die Situation nicht zufriedenstellend, weil Länge und Qualität der Ausbildungen stark variieren und uneinheitlich sind. Zudem wird größtenteils auf die Ehrenamtlichkeit der Dienstleistungen gesetzt.
Der Einsatz von Ehrenamtlichen hat in der Regelversorgung jedoch seine Grenzen: So stellen sich gerade bei Einsätzen im Krankenhaus ebenso wie bei sehr persönlichen und folgenreichen Entscheidungen die Fragen der Verlässlichkeit des Dolmetscheinsatzes und der Haftung. Neben Unsicherheiten in Haftungsfragen ist vor allem auch die Qualitätssicherung der Leistung nicht geklärt. Verzerrungseffekte in der Kommunikation sind vom deutschen Fachpersonal und von ehrenamtlichen Sprachmittlern kaum zu erkennen.
Zwischen den aufgeführten Berufen und dem Berufsprofil des Sprach- und Integrationsmittler/-in gibt es inhaltliche Überschneidungen. Das Tätigkeitsprofil der SprInts ist jedoch genauer auf die speziellen Bedürfnisse von Migrierten und die Unterstützung von Fachkräften im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen ausgerichtet.
Zusammen mit der Fähigkeit zur Vermittlung in soziokulturellen Aspekten und dem umfangreichen Fachwissen ergibt sich ein zeitgemäßes, innovatives Berufsprofil, dass in seinen speziellen Einsatzfeldern gegenüber den anderen genannten Berufen vielfältige Vorteile aufweist.